Zur Person

Der Pianist und Dirigent Daniel Barenboim – Zum 80. Geburtstag

Stand
KÜNSTLER/IN
Daniel Barenboim
AUTOR/IN
Maria Ossowski

Daniel Barenboim zählt zu den zentralen Künstlerpersönlichkeiten der Gegenwart. Als Pianist, Dirigent und Initiator viel beachteter Projekte ist er seit Jahrzehnten in der Musikwelt aktiv. Die Ehrungen setzen sich bis heute fort, mit deutschem Verdienstkreuz, Ehrendoktorwürde in Oxford, dem Praemium Imperiale und vor allem der Auszeichnung zum UN-Friedensbotschafter, für sein Engagement. Am 15. November 2022 feiert Barenboim seinen 80. Geburtstag.

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Das Phänomen Barenboim

Daniel Barenboim ist Weltbürger und Pianist, Dirigent und Tangospieler, Vernetzer und Friedensstifter, Großvater, Lehrer, Philosoph, Genussmensch – kurz: ein Wunder. Geboren in Buenos Aires, zieht er mit 10 Jahren nach Israel und gilt da schon als Wunderkind am Klavier.

Er war das Glück für Chicago, London, Paris oder Bayreuth und er ist es seit über 30 Jahren für Berlin, seiner letzten Station wie er immer sagt.

Im Südwesten der Stadt wohnt er in einer eher unauffälligen Villa mit seiner Frau Elena Baschkirowa, einer Pianistin. Er hat zwei Söhne und Enkelkinder. In einen kleinen holzgetäfelten Raum mit Partituren an den Wänden zieht er sich zurück zum Studium, zum Zigarre-Rauchen und zum Nachdenken über Musik.

„Musik ist ja ganz abstrakt. Wenn wir über Musik sprechen, sprechen wir nicht über Musik, sondern über unsere Reaktion auf Musik. Ein Musiker, der kein inneres Leben hat, hat keine Assoziationen, bleibt auch da abstrakt. Man kann kein Künstler sein, ohne ein reiches inneres Leben.“

Unermüdlicher Initiator

Daniel Barenboims Beethoveneinspielungen sind so legendär wie seine Bruckner- und Mahlerzyklen, wie die Schubertsinfonien oder Klavierwerke, wie Brahms- oder Boulez-Dirigate und Einspielungen und viele andere.

Aber alle sind sich einig: Musiker*innen, Kritiker*innen, Expert*innen oder Weggefährt*innen, sie alle landen irgendwann bei einem Werk: Richard Wagners Tristan. Wagner und Barenboim: Sein Ring in Bayreuth, eine Offenbarung – sein Parsifal in Berlin bleibt unerreicht.

„Die Leute denken immer man wird müde vom Spielen oder Dirigieren, aber das Gegenteil ist der Fall: ich bekomme Energie im Konzert, und bei den Proben. Oft bin ich vorher müde, und hinterher ganz frisch.“

Daniel Barenboim dirigiert, 2008.
Er gilt als musikalisches Genie: Der Pianist, Dirigent, Generalmusikdirektor und Weltbürger Daniel Barenboim. Gekonnt setzt er sich und seine Musik in der Öffentlichkeit in Szene. Bild in Detailansicht öffnen
Der israelische Dirigent und Pianist Daniel Barenboim an einem Flügel bei seinem ersten öffentlichen Auftritt am 19. August 1950 in Buenos Aires in Argentinien
Bereits als Siebenjähriger hat er seinen ersten Auftritt in seiner Heimatstadt Buenos Aires. Der Junge hat das Klavierspielen ausschließlich von seinen Eltern gelernt, die selbst Pianisten und Pädagogen waren und die Kinder russisch-jüdischer Einwanderer in die USA. 1952 wanderte die Familie aus – zunächst nach Europa, später nach Israel. Bild in Detailansicht öffnen
Der 13-jährige Daniel Barenboim probt für seinen ersten großen Auftritt in London mit dem Philharmonic Orchestra, 1956.
In Europa festigt Barenboim seinen Ruf als Teenage-Shootingstar am Klavier. Als 13-Jähriger spielt er umjubelte Debüts in London, Paris und New York. Er sei „ein Phänomen“, sagt der berühmte Dirigent Wilhelm Furtwängler. Bild in Detailansicht öffnen
Daniel Barenboim und Jacqueline Du Pre, 1967.
Barenboim macht als Solopianist, aber auch als Liedbegleiter und Kammermusiker Karriere, etwa mit den Geigern Itzhak Perlman und Pinchas Zukerman. 1967 heiratet er die begabte Cellistin Jacqueline du Pré. Die beiden gelten als Traumpaar der Klassik, bis Du Pré an Multipler Sklerose erkrankt. Ihr früher Tod mit nur 42 Jahren: ein Schicksalsschlag. Bild in Detailansicht öffnen
Daniel Barenboim am Klavier in den 80er Jahren
Am Klavier erarbeitet sich Barenboim in kurzer Zeit ein beeindruckendes Repertoire. Er macht wegweisende Plattenaufnahmen und bekommt zahlreiche Grammys. Seine Einspielung der 32 Beethoven-Sonaten von 1984, die er schon als 16-Jähriger beherrschte und insgesamt bereits dreimal einspielte, gilt als Referenzaufnahme. Bild in Detailansicht öffnen
Daniel Barenboim dirigiert, circa 1975
Dann beginnt die zweite Karriere: Ab den 60er Jahren tritt Barenboim als Dirigent in Erscheinung – mit durchschlagendem Erfolg. 1967 gibt er sein Debüt mit dem New Philharmonia Orchestra in New York. Seine erste Oper dirigiert er 1973: „Don Giovanni“ in Edinburgh. Zwei Jahre später ist er Chefdirigent des Orchestre de Paris. Bild in Detailansicht öffnen
Daniel Barenboim 2017
Bald ist er ein Dirigent von Weltrang, spielt mit allen bedeutenden Orchestern: London Symphony Orchestra, London Philharmonic Orchestra, Chicago Symphony Orchestra, Berliner Philharmoniker, Wiener Philharmoniker, Orchester der Mailänder Scala. Bild in Detailansicht öffnen
Daniel Barenboim beim Benefizkonzert zugunsten der Sanierung der Staatsoper Unter den Linden, 2014
Berlin ist Barenboims Wahlheimat. Die Berliner Staatsoper Unter den Linden machte ihn 1992 auf Lebenszeit zu ihrem Künstlerischen Leiter und Generalmusikdirektor. Auch bei der Staatskapelle Berlin ist er Chefdirigent auf Lebenszeit. Bild in Detailansicht öffnen
Daniel Barenboim und Irene Theorin bei der Premiere 'Goetterdaemmerung' in Berlin, 2013
Eine besondere Leidenschaft pflegt Barenboim zu Wagners Musik. Ab 1981 dirigierte er 18 Sommer in Folge die Bayreuther Festspiele. In Israel sorgte Barenboim 2001 für einen Eklat, als er mit der Staatskapelle Berlin einen Auszug aus „Tristan und Isolde“ interpretierte. Die Musik des Antisemiten Richard Wagner ist in Israel ein Tabu. Bild in Detailansicht öffnen
Daniel Barenboim beim Nuejahrskonzert der Wiener Philharmoniker 2022
Faszinierend an Barenboim ist seine stilistische Bandbreite. Er hat Bach, Beethoven, Wagner genauso perfektioniert wie zeitgenössische Musik. Häufig dirigiert er Werke von Komponisten wie Lutosławski, Berio, Boulez, Henze, Dutilleux und Takemitsu. Bild in Detailansicht öffnen
Daniel Barenboim und Edward Said nehmen 2002 in Spanien ihre Preise in der Sparte Völkerverständigung entgegen, im Hintergrund applaudieren Regionalpräsident Vicente Alvarez Areces und Kronprinz Felipe von Spanien
Eine tiefe Freundschaft verband Barenboim mit Edward Said. Barenboim teilte die Ansichten des palästinensisch-amerikanischen Intellektuellen über die Zukunft des Nahen Ostens. Gemeinsam suchten sie nach einer friedlichen Lösung des Konflikts. 2002 ehrt Kronprinz Felipe von Spanien ihr Engagement mit dem Prinz-Von-Asturien-Preis. Bild in Detailansicht öffnen
Daniel Barenboim dirigiert das West-Eastern Divan Orchestra im spanischen Cordoba, 2010.
Das West Eastern Diwan Orchestra ist das Herzensprojekt von Barenboim, das er gemeinsam mit Edward Said 1999 ins Leben rief. Es ist ein Ensemble von jungen Musiker*innen aus dem Nahen Osten: unter anderem Israel, Palästina, Ägypten, Syrien, Jordanien. Bild in Detailansicht öffnen
Daniel Barenboim und der UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon 2016
Barenboim glaubt an die versöhnende Kraft der Musik. 2012 ernennt ihn der Generalsekretär Ban Ki Moon zum UN-Friedensbotschafter. 2012 gründet er in Berlin die Barenboim-Said-Akademie in Gedenken an den bereits verstorbenen Freund, um die Friedensarbeit durch Bildung und Musik fortzusetzen. Bild in Detailansicht öffnen
Daniel Barenboim unterhält sich mit Grundschüler*innen in Berlin, 2021
Unermüdlich engagiert sich Barenboim für die musikalische Förderung von Kindern und Jugendlichen. Im Bild unterhält er sich mit Grundschüler*innen in Berlin. Er gründete Musikkindergärten in Berlin und Palästina. Bild in Detailansicht öffnen
Daniel Barenboim breitet seine Arme aus, um dem palästinensichen Jugendorchester nach seinem Konzert am 7.5.2004 in der Friends School in Ramallah zu gratulieren
Frieden durch Musik: dazu gehört auch der Aufbau eines palästinensischen Jugendorchesters. 2008 erhält Barenboim die palästinensische Ehrenstaatsbürgerschaft – „für seinen Einsatz für das palästinensische Volk und einen Frieden zwischen Israelis und Palästinensern“. Bild in Detailansicht öffnen
Daniel Barenboim präsentiert seinen Orden Ritter des britischen Empires (KBE), 2011
Für seine künstlerischen Leistungen und sein gesellschaftspolitisches Engagement wurde Barenboim mit Auszeichnungen überhäuft: Ernst von Siemens Musikpreis, Herbert-von-Karajan-Musikpreis, Praemium Imperiale. 2011 die Erhebung in den britsichen Ritterstand. Bild in Detailansicht öffnen
Bundespräsident Joachim Gauck verleiht dem Generalmusikdirektor der Berliner Staatsoper Unter den Linden, Daniel Barenboim, das Bundesverdienstkreuz, 2013
2013 erhält er von Bundespräsident Joachim Gauck das Große Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland. Bild in Detailansicht öffnen
Daniel Barenboim sitzt auf einem Stuhl auf der Bühne und raucht eine Zigarette, 2002
Es regnet nicht nur Ruhm. Für seinen Führungsstil wurde Barenboim zuletzt heftig kritisiert. Mitarbeitende beschuldigten ihn, im Orchester eine „Atmosphäre der Angst“ zu verbreiten. Barenboim wies die Vorwürfe zurück. Bild in Detailansicht öffnen
Daniel Barenboim in Moskau, 2021
Zu seinem 80. Geburtstag am 15. November 2022 wird es keine offizielle Feier geben. Daniel Barenboim musste das geplante Konzert absagen. Aufgrund einer neurologischen Erkrankung habe sich sein gesundheitlicher Zustand auf unbestimmte Zeit verschlechtert. Bild in Detailansicht öffnen

Barenboim und das West Eastern Divan Orchestra

Daniel Barenboim hat einige Jahre in Israel gelebt, er ist dem Land verbunden, aber er kritisiert die politischen Umstände im Umgang mit den Palästinensern. 

Barenboim ist ein politischer Mensch. Da sitzt er oft zwischen den Stühlen. Auch deshalb hat er das West Eastern Divan Orchestra gegründet, in dem Araber und Israelis gemeinsam spielen. Ein Friedensprojekt, das weltweit bewundert wird.

Regelmäßig reist Barenboim mit dem WEDO, so die Abkürzung, durch die Welt. In der Berliner Waldbühne wird das West Eastern Divan Orchestra jedes Jahr im Sommer von 20.000 Fans gefeiert.

Kein Geburtstags-Dirigat

Aus gesundheitlichen Gründen kann er an seinem Geburtstag nicht in der Staatsoper musizieren. Daniel Barenboim ist zu krank, um aufzutreten. Er gibt zwar hin und wieder Masterclasses in der Barenboim-Said-Akademie, besucht auch mal eine Probe, aber neurologische Probleme quälen ihn. Die Ärzte haben ihm verboten, zu dirigieren. Somit konnte er sein Geburtstagsgeschenk nicht einlösen, Richard Wagners Ring des Nibelungen zu leiten.

In den vergangenen Jahren haben sich Musiker*innen über Barenboim in den Medien beschwert, er sei unduldsam und in der Führung manchmal unerträglich. Ein Sturm der medialen Entrüstung brach über Barenboim herein. Das hat ihm zugesetzt – Geschont hat er sich nie.

Aber dennoch: Freude hatte und hat er sehr oft. Er wird mit Familie und Freunden am 15. November seinen 80. Geburtstag feiern.

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Daniel Barenboim
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Maria Ossowski